Einige Betriebe haben die Vier-Tage-Woche eingeführt. Verkürzte Arbeitszeit und trotzdem wettbewerbsfähig bleiben – geht das im Handwerk?

Um in Deutschland die demografischen Folgen abzumildern, könnten Mehrarbeitsstunden geleistet werden und die Wochenarbeitszeit für eine Vollzeitstelle auf 42 Stunden angehoben werden. Arbeitgeber könnten versuchen, den Teilzeit-Anteil zu verringern. Denkbar wäre auch, das Renteneintrittsalter anzuheben und Zuwanderung zu forcieren. Diese Aussichten sind für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wenig erfreulich. Handwerksunternehmen, deren Mitarbeitende aufgrund manchmal vorteilhafterer Arbeitsbedingungen in die Industrie abwandern, befinden sich in einer schwierigen Lage. Doch es gibt Betriebe, die dieser Situation mit einer Vier-Tage-Woche bei gleichem Gehalt entgegentreten. Was paradox klingt, könnte gesamtwirtschaftlich funktionieren.

221025 Metallbaumeister und Schweissfachmann Johannes Guenther bei der Bearbeitung eines Edelstahlgelaenders 1024x768

 Er arbeitet bei Franz Rönnau in einer Vier-Tage-Woche:
Metallbaumeister und Schweißfachmann Johannes Günther bei der Bearbeitung eines Edelstahlgeländers.

Baustellen werden freitags nicht mehr angefahren

Den Beweis liefert Marie-Antoinette Schleier, Inhaberin der Firma Franz Rönnau – Metall ums Haus aus Hessisch Lichtenau, die ihren Metallbaubetrieb 1994 übernahm und sechs Mitarbeitende beschäftigt. Ihr Unternehmen ist spezialisiert auf die Planung, Umsetzung und Montage von Terrassendächern, Markisen, Geländern, Haustüren, Sonnenschirmen und Vordächern. Auch Sascha Rolle, Geschäftsführer der Remotex Gebäudetechnik GmbH aus Wetzlar, beschreitet neue Wege. Er gründete seinen Betrieb 2002 und wird von rund 75 Mitarbeitenden und acht Azubis unterstützt. Der Industriemechaniker und Elektroinstallateur-Meister konzentriert sich auf das Projektgeschäft im Bereich Wohnbau und realisiert auch Industrie- und Büroprojekte.

In beiden Betrieben gab es schon immer flexible Arbeitszeiten und nun auch eine Vier-Tage-Woche, die bei Franz Rönnau bereits seit September 2021 umgesetzt wird. Rolle plante die Einführung bei Remotex ursprünglich vor der Pandemie, ließ seinen Plan aber bis Frühsommer 2022 ruhen. Seitdem werden seine Baustellen freitags nicht mehr angefahren, wobei das Büro besetzt bleibt.

Körperliche Entlastung

Die Einführung einer Vier-Tage-Woche hatte für Rolle vor allem strategische Gründe. Zum einen möchte er seine Handwerker körperlich entlasten, zum anderen die Attraktivität seines Betriebs für neue Mitarbeiter steigern. Stolz berichtet er: "Nachdem wir unsere Vier-Tage-Woche in den sozialen Medien wie Facebook und Instagram beworben haben, konnten wir direkt fünf Facharbeitende finden und einstellen."

An vier Tagen in der Woche wird 36 Stunden gearbeitet und die Mitarbeitenden erhalten 24 Tage Urlaub im Jahr. In Schleiers Unternehmen gelten dieselben Konditionen. Sie erklärt: "Als Kleinbetrieb steht man, was Arbeitsbedingungen und Gehalt angeht, im ständigen Vergleich zu Großunternehmen. Hinzu kommt noch der "Makel" Handwerk. Es war uns schon immer wichtig, unseren Mitarbeitenden einen möglichst stressfreien Arbeitsalltag zu schaffen, denn wir legen großen Wert auf Work-Life-Balance."

Mitspracherecht der Mitarbeiter

In beiden Betrieben hatten alle bei der Einführung des neuen Arbeitszeitmodells ein Mitspracherecht. "Nach einer dreimonatigen Testphase haben wir geschaut, ob sich alle damit wohlfühlen und was letztlich die Zahlen sagen. Niemand konnte sich mehr vorstellen, an fünf Tagen zu arbeiten, und somit war die Vier-Tage-Woche beschlossene Sache", schmunzelt Schleier, die ihre Mitarbeitenden auch bei der Erstellung der Dienstpläne einbezieht. Bei Franz Rönnau haben, nachdem freitags nur das Büro besetzt war, mittlerweile alle frei. Der Notdienst funktioniert in beiden Betrieben wie bisher. Wartezeiten ergeben sich, wie beide Inhaber betonen, nicht etwa durch fehlendes Personal, sondern aktuell durch Probleme bei der Materialbeschaffung, durch Lieferverzögerungen sowie durch nicht erteilte Genehmigungen. Zudem sind eine intensive Planung und eine rechtzeitige Information der Kunden wichtig. In Vertriebsgesprächen und bei Kundenterminen wird im Vorfeld darauf hingewiesen, dass freitags nicht gearbeitet wird, worauf bislang durchweg positiv reagiert wurde.

Eine Frage der Planung

"Es ist alles eine Frage der Planung. Durch die geänderte Arbeitszeit haben wir weniger Fahrten zur Arbeit und zu den Kunden. Hierdurch sparen wir Zeit, Geld und schonen die Umwelt. Unsere Zahlen bestätigen, dass wir die gleiche Leistung wie zuvor erbringen", erklärt Schleier. Beide Inhaber beobachten eine positive Umsatzentwicklung und ein Sinken der ohnehin niedrigen Reklamationshäufigkeit. Zudem sind das Engagement, die Motivation und die Stimmung in ihren Teams gestiegen. Rolle appelliert an seine Handwerkskollegen: "Arbeit ist genug für uns alle da! Damit die Zahlen stimmen, sollte jeder seine Leistung vernünftig kalkulieren. Dann können auch die Mitarbeiter marktgerecht entlohnt werden. Diejenigen, die nach fehlenden Facharbeitern rufen, sollten im eigenen Betrieb ausbilden."

Arbeitsleistung statt um Arbeitsstunden

Keine Handwerksbetriebe, sondern die Gesamtwirtschaft hatte der britische Volkswirtschaftler John Maynard Keynes (1883-1946) im Blick, als er prognostizierte, dass die Menschen in 100 Jahren – also im Jahr 2030 – nur noch 15 Stunden in der Woche arbeiten werden, weil Maschinen ihre Arbeit größtenteils übernehmen würden. Die Realität weicht hiervon zwar ab, jedoch ist die Grundtendenz zutreffend. Rolle bringt es für das Handwerk auf den Punkt: "Dass die Arbeit effizienter erledigt werden kann, liegt in erster Linie an modernen Maschinen und der digitalen Ausstattung in den Handwerksbetrieben. Es geht um die Arbeitsleistung und nicht um die Arbeitsstunden."

Der Zeitgewinn, der durch die Digitalisierung und durch arbeitserleichterndes Equipment entsteht, begünstigt eine Vier-Tage-Woche. Wenn ein Betrieb an einem Tag beispielsweise nicht komplett schließen kann, können die Mitarbeitenden zeitversetzt in einem Wechselmodell eingesetzt werden. Bedacht werden muss indes, dass Unternehmen, die eine Vier-Tage-Woche anbieten, möglicherweise Mitarbeitende anderer Betriebe zum Wechseln veranlassen werden. Hierdurch werden, gesamtwirtschaftlich betrachtet, insgesamt weniger Arbeitsstunden geleistet. Doch ähnlich wie zu Keynes Zeiten, scheint es allerdings notwendig, althergebrachte ökonomische Gegebenheiten auf den Prüfstand zu stellen.

Mitarbeiter halten

Da die Handwerksbetriebe in der Lage sind, ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter effizient einzusetzen, werden angepasste Arbeitszeiten mit einer höheren Flexibilität, zu der auch die Vier-Tage-Woche zählt, die Umsätze wohl nicht einbrechen lassen. Neben dem Akquirieren neuer Arbeitskräfte ist auch das Halten von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine der größten Herausforderungen. Dies kann – branchenunabhängig – mit neuen Arbeitszeitmodellen gelingen. Hierzu bedarf es nicht zwingend einer Vier-Tage-Woche, sie kann aber unterstützen, da sie dem Wunsch, insbesondere jüngerer Arbeitnehmer, nach Work-Life-Balance entspricht.

Es läuft vermutlich darauf hinaus, eine Balance zu finden, die das Wohl des Betriebs und die Wünsche der Mitarbeiter in Einklang bringt. "Den Haken an der Vier-Tage-Woche haben wir auch nach einem Jahr Erprobung noch nicht finden können. Schon allein, wenn wir die Zufriedenheit und Motivation unserer Mitarbeitenden sehen, ist sie es wert", resümiert Schleier. Beide Inhaber betonen rückblickend, dass sie sich mit ihren Unternehmen stets wieder für die Einführung der Vier-Tage-Woche entscheiden würden und ermutigen zu einem Probelauf.

Quelle: www.deutsche-handwerks-zeitung.de von Katrin Drogatz-Krämer

Franz Rönnau - Metall ums Haus

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